Beachtung von Doppelbesteuerungsabkommen bei grenzüberschreitenden Steuerfragen

Anknüpfungspunkt für die Einkommensbesteuerung ist normalerweise der Wohnsitz: Der Abgabepflichtige wird im Wohnsitzstaat zur Einkommensteuer veranlagt und die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer ist das Welteinkommen. In bestimmten Fällen wird aber die Einkommensteuer auch im Tätigkeitsstaat vorgeschrieben, wodurch Besteuerungskonflikte entstehen welche sogar zur doppelten Besteuerung des gleichen Einkommens (im Wohnsitzstaat und im Tätigkeitsstaat) führen können. Zur Vermeidung solcher Besteuerungskonflikte wurden Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen, welche bei der Lösung von grenzüberschreitenden Steuerfragen zu beachten sind.

Unbeschränkte Steuerpflicht im Wohnsitz- bzw. Sitzstaat

Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht erstreckt sich in Österreich auf alle in- und ausländischen Einkünfte ( = Welteinkommen) und trifft alle natürlichen Personen, die in Österreich einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Für juristische Personen gilt die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht, wenn sie in Österreich ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz haben.

Beschränkte Steuerpflicht im Tätigkeitsstaat

Beschränkte Einkommensteuerpflicht trifft alle natürlichen Personen, welche weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben; beschränkte Körperschaftsteuerpflicht trifft alle juristischen Personen, welche in Österreich weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung haben ( = dh die beschränkte Steuerpflicht trifft alle natürlichen oder juristischen Personen, die nicht in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig sind).

Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich aber nur auf bestimmte in § 98 Einkommensteuergesetz aufgezählten Einkünfte:

  • Einkünfte aus einer in Österreich betriebenen Land-und Forstwirtschaft
  • Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, die in Österreich ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist
  • Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den in Österreich eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist oder in Österreich unbewegliches Vermögen vorliegt.
  • Einkünfte aus kaufmännischer oder technischer Beratung in Österreich, aus der Gestellung von Arbeitskräften und aus der gewerblichen Tätigkeit als Sportler, Artist oder Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen sind in Österreich auch steuerpflichtig, wenn in Österreich keine Betriebsstätte unterhalten wird und auch kein ständiger Vertreter in Österreich bestellt ist.
  • Einkünfte aus in Österreich ausgeübter oder verwerteter nichtselbstständiger Arbeit
  • Einkünfte aus in Österreich erzielten Kapitalerträgen
  • Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn das unbewegliche Vermögen oder die Rechte in Österreich gelegen sind oder in Österreich in ein öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder in einer österreichischen Betriebsstätte verwertet werden
  • Einkünfte aus in Österreich erzielten Spekulationseinkünften und der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen in Österreich

Vermeidung der doppelten Besteuerung durch Doppelbesteuerungsabkommen

Nachdem die nationalen Steuervorschriften in anderen Staaten im Regelfall sehr ähnlich ausgestaltet sind, wäre zum Beispiel ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland und einem Gewerbebetrieb in Österreich sowohl in Österreich einkommensteuerpflichtig ( = beschränkte Steuerpflicht im Tätigkeitsstaat) als auch in Deutschland ( = unbeschränkte Steuerpflicht im Wohnsitzstaat) und müsste daher von dem in Österreich erwirtschafteten Einkommen sowohl in Österreich als auch in Deutschland Einkommensteuer abführen, wodurch das Einkommen nahezu zur Gänze durch die Steuerbelastungen aufgezehrt würde.

Zur Vermeidung der doppelten Besteuerung solcher Einkommen aus grenzüberschreitenden Tätigkeiten wurden Doppelbesteuerungsabkommen als zwischenstaatliche Verträge abgeschlossen, welche grundsätzlich zwei verschiedene Methoden kennen:

  • Anrechnungsmethode – bei dieser Methode wird die imTätigkeitsstaat entrichtete Einkommensteuer auf die Einkommensteuerlast im Wohnsitzstaat angerechnet
  • Zuteilungsmethode – durch Zuteilungsregelungen wird im Doppelbesteuerungsabkommen festgelegt, ob bestimmte Einkünfte entweder im Wohnsitzstaat oder im Tätigkeitsstaat besteuert werden dürfen

Der wesentliche Unterschied bei diesen beiden Methoden ist in dem Umstand zu sehen, dass ein niedriger Steuersatz im Tätigkeitsstaat bei der Anrechnungsmethode als Vorteil verloren geht (weil der Steuerpflichtige auch vom ausländischen Einkommen die Einkommensteuer nach den in seinem Wohnsitzstaat gültigen Einkommensteuersätzen zu zahlen hat), während bei der Zuteilungsmethode der Vorteil eines niedrigen Steuersatzes im Tätigkeitsstaat erhalten bleibt (wenn Einkünfte aus einem in Österreich betriebenen Gewerbebetrieb nur in Österreich besteuert werden dürfen, dann darf Deutschland von diesen Einkünften überhaupt keine deutsche Einkommensteuer erheben).

Progressionsvorbehalt

In Doppelbesteuerungsabkommen mit Zuteilungsmethode ist aber regelmäßig das Recht des Progressionsvorbehaltes für den Wohnsitzstaat vorgesehen, nach welchem der Wohnsitzstaat von den im anderen Vertragsstaat erwirtschafteten Einkünften zwar keine Einkommensteuer erheben darf, diese aber bei der Berechnung des zur Anwendung gelangenden Steuersatzes berücksichtigen kann. Nachdem der Einkommensteuertarif im Regelfall progressiv gestaltet ist, wird daher im Wohnsitzstaat von den inländischen Einkünften im Falle des Vorliegens von ausländischen Einkünften (welche nach dem Doppelbesteuerungsabkommen nur vom anderen Vertragsstaat besteuert werden dürfen) eine prozentual höhere Einkommensteuer erhoben als im Falle des Nichtvorliegens solcher ausländische Einkünfte.

Rechtsformgestaltung und Gründung von Tochtergesellschaften

Bei grenzüberschreitenden unternehmerischen Aktivitäten ist zu beachten, dass Unternehmen – auch wenn sie im Tätigkeitsstaat keinen Sitz und auch nicht den Ort ihrer Geschäftsleitung haben – im Regelfall dann im Tätigkeitsstaat ertragssteuerpflichtig sind, wenn entweder eine Betriebsstätte besteht oder die wirtschaftliche Aktivität über einen längeren Zeitraum hindurch entfalten wird (zB Baustellen, welche über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten unterhalten werden).

Insbesondere in jenen Fällen, in denen eine Betriebsstätte eingerichtet werden soll, empfiehlt es sich über die Gründung einer rechtlich selbstständigen Tochtergesellschaft nachzudenken, weil dadurch einerseits das Risiko einer wirtschaftlichen Fehlentscheidungen verringert werden kann und andererseits die praktische Abwicklung über eine rechtlich selbstständige Tochtergesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Tätigkeitsstaat erfahrungsgemäß einfacher – und damit kostengünstiger – als die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für eine unselbstständige Betriebsstätte ist.

Treaty-Shopping

Als bilateraler Vertrag wirkt ein Doppelbesteuerungsabkommen nur zwischen den beiden Vertragsstaaten, welche dieses Abkommen unterzeichnet haben (weshalb es ratsam ist, schon vor Setzung von grenzübergreifenden wirtschaftlichen Aktivitäten zu prüfen, ob zwischen Wohnsitz- und Tätigkeitsstaat überhaupt ein Doppelbesteuerungsabkommen existiert).

Wenn etwa zwischen den beiden Staaten A und B kein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen wurde, aber beide Staaten ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Staat C abgeschlossen haben, dann kann es sinnvoll sein, einen Anknüpfungspunkt zu Staat C zu suchen, damit bei der Besteuerung diese beiden mit dem Staat C abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen Anwendung finden.

Der Begriff „Treaty-Shopping“ kennzeichnet jene Fälle, in denen ein Anknüpfungspunkt zu einem solchen dritten Staat C gesucht wird, weil entweder zwischen den Staaten A und B kein Doppelbesteuerungsabkommen in Kraft ist oder die mit dem Staat C abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen günstigere Regelungen als ein – schon bestehendes – Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Staaten A und B enthält. Nachdem dadurch die Besteuerungsansprüche der Staaten A und B geschmälert werden, sind derartige Gestaltungen mit einem hohen Risiko der Nichtanerkennung im Falle einer Betriebsprüfung behaftet.